Bußgelder in Europa – Inwiefern sollte mich das betreffen?
Bußgeld im EU-Ausland: Das sollten Sie jetzt wissen!
Von Deutschland aus werden jährlich weit mehr als hundert Millionen grenzüberschreitende Urlaubs- und Geschäftsreisen sowie Personen- und Gütertransporte in Kraftfahrzeugen unternommen. Obwohl mittlerweile auch in Deutschland die Bußgelder im Vergleich zu früher deutlich erhöht worden sind, so birgt doch der ein oder andere Verkehrsrechtsverstoß im (benachbarten) EU-Ausland für den Delinquenten eine böse und vor allem mitunter recht teure Überraschung.
Höhere Bußgelder im Ausland sind nicht selten
So kann bei unseren österreichischen Nachbarn beispielsweise ein zehnminütiges Überziehen der Pkw-Parkzeit in Salzburg per Strafverfügung mit mehr als 50 EUR zu Buche schlagen. Bei einem einstündigen behindernden Parken in Zürich muss man direkt mit einer Geldbuße von 200 Schweizer Franken (etwa 173 EUR) rechnen. Doch selbst eines der seit je her beliebtesten Reiseländer der Deutschen, was u.a. besonders wegen der lässigen, südländischen Mentalität der Bewohner seit Jahrzehnten eine nahezu magische Anziehungskraft hat, drückt bei den Bußgeldverstößen kein Auge zu. Wer beispielsweise in Bozen/Italien sein Auto zu nah an einer Kreuzung abstellt, muss immerhin mit einer Geldbuße von 80 EUR rechnen.
Wer sich nun vermeintlich sicher fühlt und glaubt, dass in Anlehnung an das bekannte Sprichwort „What happens in Vegas, stays in Vegas!“ (zu Deutsch: „Was in Vegas passiert, bleibt auch in Vegas!“), im Ausland begangene Bußgeldverstöße in Deutschland nicht weiter verfolgt werden (können), erliegt einem großen Irrtum. Im Zuge der fortschreitenden Europäisierung gab es vor einigen Jahren einen rechtlichen Vorstoß, der bei einem verkehrsrechtlichen Auslandsverstoß gewissermaßen ein Inlandsinkasso ermöglicht. Vor dieser Regelung war es hingegen tatsächlich in vielen Fällen von Auslandsverstößen so, dass die bürokratischen Hürden viel zu hoch waren, um am Ende mit einer Verfolgung bzw. Beitreibung im Heimatland wirklich rechnen zu müssen.
Lesen Sie hier: Diese Strafen drohen im EU Ausland.
Die aktuelle Rechtslage: Geldbußen-Vollstreckung in Europa
Es geht dabei um den am 28.10.2010 in Deutschland wirksam gewordenen EU-Rahmenbeschluss Nr. 2005/214/JI, der auch im Inland die Eintreibung von Bußen und Geldstrafen aus knapp drei Dutzend EU-Mitgliedsstaaten (von den 28 Mitgliedsstaaten haben alle – bis auf Griechenland – den EU-Rahmenbeschluss zur Geldsanktionenvollstreckung umgesetzt) ermöglicht. Danach können gerichtlich oder behördlich festgesetzte Geldbußen vollstreckt werden, mit denen Verstöße gegen Verkehrsvorschriften außer Landes geahndet wurden. Die Vorschriften zum Vollstreckungsverfahren sind im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) enthalten, und zwar vorwiegend im (neuen) neunten Teil, §§ 86 ff. IRG (Vollstreckungshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union). Gemäß § 87 Abs.2 IRG werden von Gerichten oder Verwaltungsbehörden in anderen EU-Staaten rechtskräftig verhängte, strafgerichtlich überprüfbare Geldsanktionen vollstreckt. Der Begriff der Geldsanktion umfasst neben Geldbußen und Geldstrafen auch Verfahrenskosten (§ 83 Abs.3 IRG).
Bagatellgrenzen & andere Ausschlussgründe
Da sich das Verfolgungsinteresse und der (trotz des Rahmenbeschlusses dennoch vorhandene) bürokratische Aufwand wenigstens ansatzweise die Waage halten sollten, wurden Bagatellgrenzen eingeführt, ab deren Überschreitung man erst mit einer Vollstreckung im Inland zu rechnen braucht. Somit werden Geldsanktionen erst ab einem Betrag von 70 EUR vollstreckt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nach § 87 Abs. 3 IRG der Begriff der Geldsanktion sowohl das Bußgeld als auch die Verfahrenskosten umfasst, so dass der zu vollstreckende Betrag inklusive etwaiger Verfahrenskosten zu verstehen ist. Mit anderen Worten: die Bagatellgrenze ist beispielsweise auch schon bei der Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 50 EUR überschritten, sofern zur Geldbuße noch 25 EUR Verfahrenskosten hinzukommen. Ferner werden prinzipiell auch keine Fälle der sog. Halterhaftung vollstreckt. Das BfJ hat ein ausländisches Vollstreckungsersuchen zurückzuweisen, wenn gegen die betroffene Person eine Sanktion vollstreckt werden soll, ohne dass es auf ihr Verschulden ankam. Dies betrifft in erster Linie die Fälle der Kfz-Halterhaftung, bei denen der Fahrzeughalter sanktioniert werden soll, ohne dass erwiesen ist, dass er selbst den Verstoß begangen hat. Allerdings muss dies dem BfJ mitgeteilt werden.
Des Weiteren muss das BfJ unter gewissen Voraussetzungen ein ausländisches Vollstreckungsersuchen abweisen; dies gilt namentlich dann, wenn:
- die verhängte Geldsanktion einen Betrag von 70 EUR nicht erreicht,
- die betroffene Person wegen der Tat im Inland verfolgt und gegen sie bereits eine verfahrensabschließende Entscheidung ergangen ist („ne bis in idem“),
- für die der Entscheidung zugrunde liegende Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist und die Vollstreckung nach deutschem Recht bereits verjährt ist,
- die betroffene Person nach deutschem Recht aufgrund ihres Alters strafrechtlich nicht verantwortlich handelte (Strafunmündigkeit) oder strafrechtliche Immunität genießt,
- im Falle eines schriftlichen Verfahrens die betroffene Person nicht über ihre Möglichkeiten zur Anfechtung und bestehende Fristen informiert wurde,
- im Falle von Abwesenheitsurteilen die betroffene Person nicht die Möglichkeit hatte, sich in einem mündlichen Termin zu äußern,
- die betroffene Person in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, und sie dies gegenüber der Bewilligungsbehörde (also gegenüber dem BfJ) geltend macht
Das Vollstreckungsprocedere
Grundsätzlich ist das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn für die Prüfung der Zulässigkeit, die Bewilligung und die Vollstreckung der Geldsanktionen zuständig. Der Ablauf ist dabei folgendermaßen geregelt: nach einem erfolgten Bußgeldverstoß im Ausland wird ein Vollstreckungshilfeersuchen des jeweiligen Staates direkt an das BfJ übersandt. Dieses bewilligt – nach Prüfung und Anhörung – mittels Bescheid die Zwangsmaßnahme. Sofern gegen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Aktiengesellschaft (AG) vollstreckt werden, so ist das Amtsgericht zuständig.
Rechtsschutzmöglichkeiten im In- und Ausland
Betroffene können sich innerhalb von zwei Wochen im Rahmen der Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Justiz äußern. Sofern sich daraus keine (weiteren) Zulassungshindernisse ergeben, erlässt das BfJ einen sog. „Bewilligungsbescheid mit Vollstreckbarerklärung“ der ausländischen Entscheidung. Gegen diesen Bewilligungsbescheid können Betroffene innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch einlegen. Sollte das BfJ nicht abhelfen (können), wird das Verfahren an das für den Wohnsitz der betreffenden Person zuständige Amtsgericht abgegeben.
Das Gericht prüft dann zunächst die Zulässigkeit des Anspruchs (Form und Frist). Hält es den Einspruch für unzulässig, verwirft es ihn durch Beschluss. Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Anderenfalls überprüft das Gericht die Bewilligungsentscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit und die Bewilligungsfähigkeit des Ersuchens. Zu beachten ist dabei, dass die Richtigkeit der zu vollstreckenden ausländischen Entscheidung dabei nicht überprüft wird. Sofern das Gericht den Einspruch zwar für zulässig hält, aber für unbegründet, weist es den Einspruch zurück. Dagegen kann die betroffene Person – in Anlehnung an das System des Ordnungswidrigkeitenrechts – Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht einlegen. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, wenn die Überprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten oder wenn der amtsgerichtliche Beschluss wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.
Probleme bei der Wiedereinreise ins Tatortland?
Es stellt sich durchaus die berechtigte Frage, was bei einer Wiedereinreise in das Tatortland passiert, wenn in Deutschland aus irgendwelchen Gründen nicht vollstreckt wurde. Grundsätzlich lässt sich diesbezüglich festhalten, dass in einem solchen Fall tatsächlich mit einer Vollstreckung (z.B. im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle) gerechnet werden muss. Hintergrund ist, dass im Tatortland rechtskräftige Bußgeldbescheide und Gerichtsentscheidungen weiterhin vollstreckbar bleiben. Aufgrund der in den jeweiligen Ländern geltenden unterschiedlichen Verjährungsfristen kann es sogar dazu kommen, dass die Tat, die der ausländischen Geldsanktion zugrunde liegt, schon relativ weit zurückliegt (Verjährungsfristen in Italien betragen fünf Jahre und die Verjährungsfristen in Spanien vier Jahre).
Ausländische Punkte und Fahrverbote
Nicht weniger interessant erscheint die Überlegung, inwiefern die Vollstreckung auch andere Sanktionen wie Führerscheinmaßnahmen oder Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg nach sich ziehen kann. Hier ist allerdings eine Entwarnung angebracht: eine im Ausland begangene Zuwiderhandlung hat grundsätzlich keine Punkteeintragung in das Flensburger Fahreignungsregister zur Folge. Selbiges gilt für etwaige Führerscheinmaßnahmen (wie z.B. ein Fahrverbot, o.ä.). Die Vollstreckung umfasst nur Geldsanktionen. Im Ausland verhängte Führerscheinmaßnahmen gelten nur für das jeweilige ausländische Staatsgebiet.
Haben Sie ein verkehrsrechtlichen Verstoß im Ausland begangen?
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